Hämopyrrolurie (HPU)

Die Stoffwechselstörung Hämopyrrolurie (HPU) ist eine nicht seltene, oft unerkannte Störung, die Dunkelziffer vor allem unter chronisch kranken Menschen ist hoch. Diejenigen, die früh genug diagnostiziert werden, können sich glücklich schätzen. Meist ist es eine jahre-, oft jahrzehntelange Suche nach der Ursache der so unterschiedlichen Symptome, die durch diese Störung entstehen. Den Satz, den die Betroffenen am häufigsten hören ist: „ Sie haben nichts, das ist psychisch…“

Was ist anders?  Die Hämsynthese…

Der Begriff „Häm“ ist Ihnen sicher schon untergekommen, spätestens wenn Sie an Ihren roten Blutfarbstoff denken fällt es Ihnen wieder ein: das Hämoglobin, der rote Stoff der den Sauerstofftransport durch Ihren Körper transportiert, muss gemeint sein. Ja, und speziell die Bildungsschwäche des Bestandteils Häm ist bei dieser Stoffwechselstörung problematisch.

Häm wird über 8 enzymatische Schritte zu 4 Pyrrolringen gefertigt, die dann das Häm-Molekül bilden. Genau hier aber liegt das Problem, es kommt zur Bildungsschwäche durch das Versagen einzelner Enzyme, meist 3-4, die den Ringschluss des Häms verhindern. Das Häm wird untauglich, manches Häm erfüllt gerade noch so einige Aufgaben, anderes wird gleich aufgrund biochemischer Untauglichkeit aussortiert. Die ungewöhnliche große Menge an falsch gebildeten Molekülen, die (Hämo-) Pyrrole, werden nicht wie üblich über den Darm ausgeschieden sondern zusätzlich auch über die Nieren, dafür wird Zink, Vitamin B6, Mangan, Biotin und Arachidonsäure (Omega-6-Fettsäure) verbraucht. Das Häm ist chemisch sehr sauer, muss mit den o.g. Nährstoffen neutralisiert  und dann als Hämopyrrollaktam (=HPL) - Komplex zwingend über den Urin ausgeschieden werden. 

Das Wesentliche ist: HPU ist eine Stresserkrankung! Die im Folgenden beschriebenen Vorgänge sind dominanter sobald sie Stress haben, besser gesagt: Je mehr Stress Sie haben desto mehr Pyrrol-Ausscheidung ( und daraufhin Symptome ) bekommen Sie! Bei einem vollkommen entspannten Leben werden Sie kaum etwas von der Störung mitbekommen.

Zunächst die Symptome  (die am stärksten vertretenen sind groß dargestellt):  Abdominelle Weichheit, abnormale Fettverteilung, Akne, Allergie, Amenorrhoe/ unregelmäßige Menstruation, Anämie, Angst, Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivität (ADHS), Autismus, kalte Hände/Füße, Verstopfung, ungewöhnlicher Verlauf der Augenbrauen, verzögerte Pubertät, Depression, PTBS, emotionale Abhängigkeit, explosiver periodischer Ärger, Insulinresistenz und Hypoglykämien, Licht-/Geräusch-/Geruchsintoleranz,  Gelenkschmerzen, Stimmungsschwankungen, weiße Nagelflecken (Leukodynie), Übergewicht, blasse Haut/schlechte Bräunung, Paranoia/Halluzination, Wahrnehmungsstörung,  Pessimismus, kaum Frühstücksappetit, schlechte Traumerinnerung, schlechtes Kurzzeitgedächtnis, Stressintoleranz, Dehnungsstreifen, Substanzmissbrauch, Zittern/Tremor/Krämpfe

Bevor es jetzt losgeht noch ein kleiner Exkurs:

Historisch gesehen fand der Vater der orthomolekularen Psychiatrie Dr. Abram Hoffer 1958 im Verlauf eines psychiatrischen Forschungsprojektes/Kanada den sogenannten „Mauve factor“ (nach der Farbgebung der Indikatorsubstanz) als biochemische Komponente im Urin von Patienten, daraufhin galt jener als biochemischer Marker bei Schizophrenie und die Störung hieß „Malvaria“ . 1970 wurde sie von Dr. Pfeiffer umbenannt in “Pyroluria“, dem englischen Begriff für Hämopyrrolurie. Der typische ärztliche Kollege in Deutschland hält es allerdings für eine Pseudodiagnose („steht nicht in meinem Lehrbuch, gibt es folglich nicht…“), allerdings hat er mal etwas von Porphyrien gehört; HPU zählt zur Familie der Porphyrien. Porphyrine im Urin sind auch ein indirekter Marker für HPU, sind sie erhöht so sind zu 100% auch Pyrrole zu finden.

Nun zurück zum Thema:

Die eigentliche und größte Problematik dieser Erkrankung stellen der Totalverlust der Nährstoffe Zink und Vitamin B6 die an anderer Stelle fehlen dar! Wie schwerwiegend die Mängel werden können sollen Ihnen folgende Beispiele zeigen:

Psyche:  Serotonin z.B. ist ein wichtiger Botenstoff, u.a. zeigen sich Stimmungsschwankungen wenn er fehlt. Serotoninmangel ergibt sich durch schlechte Synthese, denn der Körper stellt aus der Aminosäure L-Tryptophan Serotonin her, allerdings nur wenn die dafür benötigten Enzyme (=Bauarbeiter des Körpers) arbeiten können; da jene als Co-Faktor Zink und Vitamin B6 brauchen wird es hier schnell problematisch mit der Synthese. Serotonin fehlt z.B. bei Depression, Ängsten, Migräne.

Dieselbe Situation hat man wenn der Körper das Schlafhormon Melatonin aus Serotonin herstellen will, wieder sind Enzyme nötig die Zink- und B6-abhängig sind. Und so kann es zu Schlafstörungen kommen und die Chronobiologie sowie der Schlaf-Wach-Rhythmus kommen durcheinander.

Hochsensibilität: Hochsensibilität ist Fluch und Segen zugleich. Sie selbst nehmen es vielleicht durch gesteigerte, Licht-, Geräusch- oder Geruchsempfindlichkeit wahr. Der hochssensible Mensch nimmt innere und äußere Reize intensiver wahr, der Reizfilter ist durchlässiger. In künstlerisch-kreativen Berufen ist das erwünscht, ebenso erlaubt diese Beeindruckbarkeit empathische Zugewandtheit in helfenden Berufen, diese Form der Soft Skills will man nicht verlieren, wenn man sie denn einmal hat, doch gibt es von allem ein Zuviel. Reizüberflutung fängt da an wo der Filter völlig versagt, im Vorfeld merkt man die rasche Erschöpfbarkeit und den schnell leeren Akku.

In dem Zustand der Überflutung ist das kleinste Geräusch zu viel, Licht- und Geruchsreize werden ebenfalls als problematisch wahrgenommen. Entscheidend ist auch hier ein fehlender Stoff, die  Gammaaminobuttersäure (GABA = ein Neurotransmitter = ein signalhemmender Botenstoff des Nervensystems), die aufgrund der fehlenden Cofaktoren Zink und B6 durch die Glutamat-Decarboxylase  nicht aus Glutamat gebildet werden kann. In dieser Situation gibt man im Zuge der Therapie vorrübergehend GABA, bis der Körper es wieder alleine schafft, GABA zu bilden.

Diese Symptome sind Kardinalssymptome weil BEIDE betroffenen Nährstoffe, Zink und B6, fehlen. Die Symptome die entweder durch Zink ODER B6-Mangel entstehen sind in der Regel milder.

Verdauung: Das Zink-abhängige Enzym Carboanhydrase stellt Magensäure her, in Ergänzung durch das Peptidhormon Gastrin, das bei Nahrungsaufnahme unter B6 - Verbrauch ausgeschüttet wird und für mehr Magensäure sorgt. Ist also weder Zink noch Vitamin B6 da wird es eng mit der Magensäure. Als Folge wird die Nahrung nicht richtig verdaut, die Probleme setzen sich in den Darm fort mit den entsprechenden Störungen. Mangelnde Magensäure wird oft als ein Zuviel an Magensäure wahrgenommen, da die Nahrung aufgrund des ungenügenden Säuregrades länger im Magen verweilt und anfängt zu fermentieren, die aufsteigenden Gase nehmen Säure mit, benetzen die Speiseröhre, der Hausarzt diagnostiziert Sodbrennen.

Verdauungsstörung heißt hier: Schlechte Eiweißverdauung schon im Magen und mangelnde Aufschlüsselung über die Bauchspeicheldrüse, da bei erniedrigter Magensäuresekretion eben auch parallel HCO3-, also Bicarbonat, fehlt. Die braucht es aber zur dann folgenden Abpufferung des sauren Magensafts im Zwölffingerdarm und zur Aktivierung der Bauchspeicheldrüsenenzyme, damit jene überhaupt weiterverdauen können.

Im Darm trifft der mangelhaft vorbereitete Speisebrei dann auf eine durch Zinkmangel vorgeschädigte Darmschleimhaut, die so angreifbar wird für Schadstoffe und  Entzündungen. Eiweißspaltende Enzyme der Darmwand, die vor allem Zink brauchen, arbeiten nicht richtig, hinterlassen zu große Moleküle, die nicht aufgenommen werden können aber die Darmwand durchdringen können (Leaky Gut), Und dahinter auf das Immunsystem stoßen das die großmolekularen Eiweiße als körperfremd einstuft. Es folgt eine Immunreaktion. Auf dieser Basis hat man es eben neben HPU auch mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Autoimmunkrankheiten zu tun, Der Hausarzt kann bezüglich seines Hintergrunds alles was er weiß untersuchen (schallen, spiegeln…) und landet dann irgendwann bei der Ausschlussdiagnose Reizdarm.

Oder: Das anfallende Histamin wird im Darm nicht korrekt abgebaut, da das zuständige Enzym Diaminooxidase (DAO)  Zink, B6 und Kupfer braucht. Schnell ist man da dann in einer Histamin-Überladung, was zum Beispiel bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien ungünstig ist, da beide Ereignisse in einer Histaminentladung münden. Oft ist es auch nur die relative Histaminerhöhung die schwierig ist und als sehr intensiv erlebt wird, relativ im Sinne eines niedrigen Ausgangsspiegels, der bei Erhöhung Normalwerte erreicht.

Schilddrüse: Oft findet man bei HPU eine mitbetroffene Schilddrüse in Form einer Schilddrüsenunterfunktion oder einer Entzündung wie die Hashimoto Thyreoiditis oder den Morbus Basedow, beides sind Autoimmunerkrankungen. Durch eine Schilddrüsenaffektion ist der ganze Stoffwechsel betroffen - das Herz-/Kreislaufsystem, der Magen/Darmtrakt, der Energiestoffwechsel, Haut und Psyche. Die beiden dabei relevanten Hormone sind das T4 (Thyroxin) und das T3 (Trijodtyronin), wobei das T4 die Speicherform darstellt und immer dann in das aktive T3 umgewandelt wird wenn der Körper mehr Stoffwechselaktivität benötigt. Sie ahnen es, Umwandlung wird enzymatisch gestaltet, es wird unter anderem Zink und Selen benötigt und so ist die Synthese des aktiven T3 stark beeinträchtigt wenn einer oder beide dieser Stoffe fehlen, die Entzündung wurde im Abschnitt zur Verdauung schon beschrieben. Fehlt T3 bzw. ist es äußerst „niedrignormal“ ( das bedeutet an der Unterkante der Referenzwerte ) so fährt Ihr Stoffwechsel untertourig mit den entsprechenden Symptomen der Unterfunktion (müde, frieren, kalte Hände und Füße, Gewichtszunahme, Haarausfall usw…)

Häm, die Entgiftung und der Energiemangel…: Eine wichtige Rolle spielt das Häm bei der Entgiftung und beim Energiestoffwechsel. Deshalb gelten Menschen mit HPU als schlechte Entgifter, sind oft müde und schnell erschöpft.

Was die Entgiftung betrifft, so können Sie zum einen in der Phase I der Leberentgiftung die Entgiftung schlecht starten da die aktivierenden p450 Cytochrome hämhaltig sind, zum anderen ist die Bildung des körpereigenen Entgiftungs-Tripeptids Glutathion abhängig von Zink, aktivem B6, Mangan, Vit C und Magnesium. Das bedeutet: auch das Weiterprozessieren der Gifte in Phase II ist gestört, zu allem Überfluss haben viele der HPU-Betroffenen noch genetische Störungen in der Funktion der Familie der Superoxiddismutasen (SOD), einem Antioxidans das vor Folgen der Radikalbildung bei Giftung und Entgiftung schützt. In der Summe ein sehr schlechter Cocktail, die Betroffenen spüren das auch. Es sind die ersten die Losrennen und sich z.B. altes Zahnamalgam entfernen zu lassen.

Der Energiestoffwechsel fängt in jeder einzelnen Zelle an, genauer gesagt in den Zellkraftwerken, den Mitochondrien. Energie steht uns in Form von ATP zur Verfügung. Stark vereinfacht gesagt wird unter Mangel von Zink, B6, Eisen, Kupfer, Q10 und auch Häm nicht genügend ATP gebildet, und uns zieht es dann schneller mal den Stecker. Auch hier sind SOD am Werk, die - sie kenne es jetzt sicher schon auswendig! – nur unter Zink, B6 etc. funktionieren. Um Energie herzustellen braucht der Körper ein gewisses Maß an freien Radikalen, sie müssen nur schnell wieder abgebaut werden und dafür gibt es die SOD als spezialisierte Enzyme.

Nun haben Sie eine Vorstellung davon wie vielfältig die Symptome dieser Störung sein können. Es lohnt sich das zu behandeln. Auch wenn es am Anfang holprig zugehen kann (Zur Erinnernung: es ist eine Entgiftungsstörung!) wird man doch belohnt wenn man durchhält. Wenn die Entgiftung vorbei und die Speicher aufgefüllt sind stellt sich echte Lebensqualität ein und das ist doch das was wir alle wollen.

Diagnostiziert  wird die Störung durch Urintest, Morgenurin (bei Kindern), 24-Stunden-Urin bei Erwachsenen.

Therapie: Nach einer Vorbereitungsphase von etwa 4 Wochen, in denen Schwermetallbinder etabliert werden und so sichergestellt ist dass die Entgiftung nicht in einer Dauerkrise mündet, geht die eigentliche Behandlung los. Es dauert schon einige Wochen bis der Körper Stück für Stück repariert hat, Platzhalter wie die Schwermetalle Quecksilber, Arsen, Cadmium, Blei anstatt Zink (=der verzweifelte Versuch des Körpers Enzyme zum Funktionieren zu bewegen) werden vor allem zu Beginn in den Kreislauf gebracht und müssen ausgeschieden werden. Ich bin seit 20 Jahren mit Entgiftung beschäftigt und habe ein Auge auf diese Phase da sie über den weiteren Verlauf und auch über die Compliance des Patienten entscheidet. Wird diese Phase mißachtet, werden alle Symptome schlechter und der Patient bricht ab und denkt sich das war es jetzt auch nicht, dabei ist es sehr wohl sein Grundproblem, aber unglücklich adressiert. Wer durchhält wird schlichtweg mit einer Lebensqualität  belohnt die er so noch nicht kannte.

 

 

 

Tags: Histaminintoleranz, Stress, Serotonin, Entiftung, Hämopyrrol, Reizüberflutung, GABA, Zink und B6, Depression, Stoffwechsel

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